Strafrecht


Strafrecht



Welche Normen sind in Deutschland bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung einschlägig?

Welche Behörden verfolgen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung?

Was sollte sich ändern?

Wie wirkt sich internationales Recht aus?

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Strafgesetzbuch (StGB) Besonderer Teil Dreizehnter Abschnitt:

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung


§§ 174 - 184j StGB


Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Übersicht) | de.wikipedia.org


Dreizehnter Abschnitt: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Wortlaut) | stgb-online.de


Strafgesetzbuch (StGB) Besonderer Teil Dreizehnter Abschnitt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (tagaktuell konsolidiert) | buzer.de

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Missbrauch Erwachsener in der Seelsorge: § 174c StGB Sexueller Missbrauch

unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses


§ 174c StGB Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Missbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Missbrauch des Behandlungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Der Versuch ist strafbar.


Wir fordern: Einschub eines Satzes zwischen (2) und (3):

(3) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur Beratung und Begleitung im institutionell religiösen oder weltanschaulichen Kontext anvertraut ist, unter Missbrauch des Beratungs- oder Begleitungsverhältnisses vornimmt oder an sich vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.

(3) alt wird dann neu:

(4) Der Versuch ist strafbar.


Am 08.03.2022 erschien ein Wort der deutschen Bischöfe zur Seelsorge mit dem Titel

"In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche". 

Darin enthalten ist 

Kapitel 2. Missbrauch im seelsorglichen Kontext (S. 43-50)

a) Seelsorgerinnen oder Seelsorger, die sich als Heilsversprecher geben (S. 45)

b) Seelsorger oder Seelsorgerinnen, die übergriffig werden (S. 46)

c) Maßnahmen in der Seelsorge, die vor Missbrauch schützen (S. 49)


Darin heißt es:

"Die „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“ der Deutschen Bischofskonferenz bezieht in ihre Regelungen auch Personen ein, „die einem besonderen Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis unterworfen sind. Ein solches besonderes Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis kann auch im seelsorglichen Kontext gegeben sein oder entstehen“ (S. 4). In dem nun folgenden Kapitel geht es darum, diesen seelsorglichen Kontext näher zu beschreiben, in dem es zu Missbrauch auch von erwachsenen Personen durch Seelsorger und Seelsorgerinnen, zu dem auch der geistliche Missbrauch gehört, kommen kann. [...] Es ist hier daran zu erinnern, dass in einer beruflich bzw. mit bischöflicher Sendung ausgeübten Seelsorgebeziehung sexuelle Kontakte niemals als einvernehmlich bezeichnet und niemals toleriert werden können. Denn zur Seelsorgebeziehung gehört analog zu anderen professionellen pädagogischen, medizinischen oder therapeutischen Verhältnissen ein Machtgefälle und damit eine Abhängigkeit, in der den Seelsorgern und Seelsorgerinnen Autorität, Fähigkeiten und Kompetenzen zugesprochen werden, die dem Seelsorge Suchenden helfen sollen. Auch wenn im Strafgesetzbuch § 174c bei der Aufzählung professioneller Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisse, in denen sexuelle Handlungen strafbar sind, das seelsorgliche Verhältnis nicht erwähnt wird, ist die Ausnutzung einer seelsorglichen Beziehung für Übergriffe bis hin zu sexuellem Missbrauch strafbar und muss bei den zuständigen Staatsanwaltschaften wie auch innerkirchlich angezeigt werden." (S. 43ff.)


Im deutschen Strafrecht herrscht jedoch aus gutem Grund ein Analogieverbot (vgl. Art. 103 Absatz 2 GG  sowie  § 1 StGB). Danach ist es einem Richter verboten, eine nicht strafbare Handlung zu verurteilen, auch wenn er diese als strafwürdig ansieht und diese einer anderen Strafnorm ähnelt, jedoch nicht ganz mit dieser übereinstimmt. Das bedeutet, nur wenn etwas ausdrücklich verboten ist, kann die Übertretung bestraft werden. Wenn etwas ähnliches (=analoges) verboten ist, kann das andere noch lange nicht bestraft werden: "nullum crimen, nulla poena sine lege - kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz".  Verbrechen (crimen) ist somit allein das, was der Gesetzgeber zur Straftat erklärt hat. Nur ein formelles Gesetz kann daher die Strafbarkeit einer Handlung begründen. Dieses Verbot gilt vor allem auch für Gesetzeslücken.

Wir appellieren deshalb an alle gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Handlungsträger, eine entsprechende Erweiterung des § 174c auf den Weg zu bringen.

Unterstützung der Forderung nach Erweiterung von § 174c StGB - (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses)

Stellungnahme Katholisches Büro NRW, Anhörung v. Sachverständigen, Hauptausschuss Landtag NRW

Frage 11. Weist der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches eine Strafbarkeitslücke in Bezug auf strafwürdiges Verhalten im Seelsorgeverhältnis auf und sollte § 174c StGB um eine Strafbarkeit sexuellen Missbrauchs im Seelsorgeverhältnis erweitert werden?

Antwort: In ihrem Wort zur Seelsorge, das Kriterien und Qualitätsstandards für den Kern kirchlichen Handelns formuliert (In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche) und das die Bischöfe im letzten Jahr veröffentlicht haben, stellen sie fest, dass zur Seelsorgebeziehung analog zu den anderen professionellen pädagogischen, medizinischen oder therapeutischen Verhältnissen ein Machtgefälle und damit eine Abhängigkeit gehört, in der den Seelsorgern und Seelsorgeinnen Autorität, Fähigkeiten und Kompetenzen zugesprochen werden, die dem Seelsorge Suchenden helfen sollen. Daher konstatieren sie, dass - auch wenn im Strafgesetzbuch § 174c bei der Aufzählung professioneller Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisse, in denen sexuelle Handlungen strafbar sind, das seelsorgliche Verhältnis nicht erwähnt wird - die Ausnutzung einer seelsorglichen Beziehung für Übergriffe bis hin zu sexuellem Missbrauch strafbar sein und bei den zuständigen Staatsanwaltschaften wie auch innerkirchlich angezeigt werden muss.

Quelle: Stellungnahme | Katholisches Büro Nordrhein Westphalen - Vertretung der Bischöfe  | Seite 8 | Anhörung von Sachverständigen des Hauptausschusses und der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder Opferrechte stärken: Koordinierung schaffen und Aufarbeitung von Missbrauchstaten unabhängig und ohne Einflussnahme ermöglichen! | Vorlage 18/1691

NRW-Bistümer offen für Missbrauchsbeauftragten auf Landesebene | erschienen 14.02.2023 | katholisch.de

NRW-Bistümer: Missbrauch in der Seelsorge gehört ins Strafgesetzbuch | erschienen 14.02.2023 | kirche-und-lebend.de

Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Antrag von November zudem gefordert, dass sexueller Missbrauch im Seelsorgeverhältnis ausdrücklich ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll. Das Katholische Büro NRW, das die Stellungnahme für die fünf Bistümer verfasste, verweist hier auf einen Schriftsatz der deutschen Bischöfe von vergangenem März. Darin stellen die Bischöfe fest, dass es in Seelsorgebeziehungen ein Machtgefälle gibt, ähnlich wie in pädagogischen oder medizinischen Verhältnissen. Das Ausnutzen einer solchen Beziehung für sexuelle Übergriffe müsse strafbar sein.


Zentralkomitee will Reformen in Staat und Kirche - "Wir verstehen uns als treibende Kraft" | erschienen 11.12.2022 | domradio.de

Bei der Berliner Vollversammlung nahm sich das ZdK erneut eine Reihe heißer Eisen wie sexuellen Missbrauch vor und verband sie mit konkreten Forderungen auch an den Staat. So müssten sexuelle Handlungen in seelsorglichen Beziehungen strafrechtlich ebenso verboten werden wie solche in psychotherapeutischen Behandlungen, heißt es in einem Beschluss. An die Kirche gerichtet dringt das ZdK darauf, dass ihre Kommissionen zur Aufarbeitung von Missbrauch Erwachsene generell in den Blick nehmen und nicht ausschließlich solche, die etwa wegen einer Behinderung schutzbedürftig sind. Denn durch sexualisierte Gewalt geschädigt würden auch Erwachsene "in dienstlichen Abhängigkeitsverhältnissen oder in Seelsorgebeziehungen, in denen ein eindeutiges Machtgefälle besteht", heißt es zur Begründung.

Insgesamt tritt das ZdK für eine größere staatliche Einflussnahme auf die Aufarbeitung in anderen Institutionen ein.


Missbrauch: Rechte von Betroffenen bei Aufarbeitung stärken und Strafgesetzbuch erweitern | Beschluss des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken vom 10.12.2022


Menschenwürde wahren, Menschenrechte ausgestalten: "Wir wollen, dass die Zukunft gut wird" | Pressemitteilung vom 10.12.2022 | zdk.de


Zentralkomitee der Deutschen Katholiken: Missbrauch bekämpfe und Vielfalt achten - Staat solle Aufarbeitung in Institutionen intensiver begleiten | erschienen 10.12.2022 | katholisch.de


NRW-Parteien kritisieren Kardinal Woelki | erschienen 24.11.2022 | ksta.de


NRW: Landtag debattiert über Missbrauch in der katholischen Kirche | erschienen 24.11.2022 | tagesschau.de / 1.wdr.de


Der Antrag der SPD-Fraktion "Opferrechte stärken. Koordinierung schaffen und Aufarbeitung von Missbrauchstaten unabhängig und ohne Einflussnahme ermöglichen!" wurde im Landtag von NRW beraten. Es wurde einstimmig beschlossen, den Antrag an den Hauptausschuss -federführend-, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen; die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. | 15. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen am Donnerstag, 24.11.2022 | von 10:42:38 (0:43:15) bis 11:52:08 (1:52:45)


Kirche offen für staatliche Wahrheitskommission in NRW - Antonius Hamers: Kommission könnte einheitliche Maßstäbe vorgeben | erschienen 18.11.2022 | kirche-und-leben.de


Kirche begrüßt SPD-Initiative zu unabhängigem Beauftragten | erschienen 18.11.2022 | domradio.de

"Im Paragraf 174c geht es um sexuellen Missbrauch und Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses. Da ist das seelsorgliche Verhältnis nicht ausdrücklich erwähnt. Nach meiner Ansicht ist diese Ausweitung auch auf das Seelsorgeverhältnis unproblematisch, weil wir es im kirchlichen Strafrecht bereits haben. Insofern könnten wir uns auf der staatlichen Ebene nicht dagegen stellen. Denn selbstverständlich diskutieren wir den ganzen Komplex des geistlichen Missbrauchs. Wenn dieser Aspekt auch im politischen Strafrecht mit berücksichtigt würde, dann wüsste ich nicht, was dagegen sprechen sollte." (Antonius Hamers, Leiter Katholisches Büros Nordrhein-Westfalen)

"Aus eigener Kraft nicht geschafft" - SPD fordert staatliche Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche | erschienen 16.11.2022 | domradio.de

"Der Strafrechtsparagraf zu sexuellem Missbrauch sei ausdrücklich um den Aspekt des Missbrauchs im Seelsorgeverhältnis zu erweitern." 


SPD - Staat muss Aufarbeitung von Missbrauch in Kirche übernehmen | erschienen 16.11.2022 | katholisch.de


Opferrechte stärken: Koordinierung schaffen und Aufarbeitung von Missbrauchstaten unabhängig und ohne Einflussnahme ermöglichen! | 16.11.2022 | Antrag der Fraktion der SPD, Landtag Nordrhein-Westfalen


Nicht weiter zuschauen - Aufarbeitung von Missbrauchstaten in Kirchen geht uns alle an | Pressemeldung vom 15.11.2022 | Plenarantrag der SPD-Fraktion im Landtag NRW


Beschluss der 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 3. Tagung zur Erweiterung § 174c StGB | erschienen 09.11.2022 | Beschluss vom 09.11.2022


Frauenverband fordert Strafe für Missbrauch in der Seelsorge - "Die Rechte von Betroffenen stärken" | erschienen 24.10.2022 | domradio.de


Frauenbund: Missbrauch in Seelsorgebeziehungen unter Strafe stellen - Verband fordert Erweiterung des Strafgesetzbuchs | erschienen 24.10.2022 | katholisch.de


Straftat: Sexueller Missbrauch in Seelsorgebeziehungen | erschienen 24.10.2022 | KDFB (Pressemitteilung)


Missbrauch verhindern - Sexuellen Missbrauch in Seelsorgebeziehungen ins Strafgesetzbuch aufnehmen (§ 174c) | Beschluss der KDFB-Bundesdelegiertenversammlung, 22.10.2022


Grüne: Missbrauch in Seelsorge regeln und Kirchen-Arbeitsrecht streichen - Parteitag diskutiert über kirchliche Themen | erschienen 16.10.2022 | kirche-und-leben.de


Missbrauch in Seelsorge regeln und Dritten Weg streichen - Verabschiedung entsprechender Anträge auf Parteitag | erschienen 16.10.2020 | katholisch.de


Die Grünen wollen Missbrauch in der Seelsorge regeln - "Nicht gelungen, vollständig aufzuarbeiten" | erschienen 16.10.2022 | domradio.de


Sexualisierte Gewalt in religiösen und weltanschaulichen Institutionen konsequent aufklären und künftig verhindern | 15.10.2022 | Beschluss der 48. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen, 14. ­-16. Oktober 2022 in Bonn


Grüne wollen Strafbarkeit von Missbrauch in der Seelsorge - Anpassung des Gesetzestextes vorgeschlagen | erschienen 15.10.2022 | domradio.de


Grüne wollen Missbrauch in der Seelsorge strafbar machen | erschienen 14.10.2022 | sueddeutsche.de


In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche - Wort der Deutschen Bischöfe zur Seelsorge | erschienen 2022| dbk.de (Deutsche Bischofskonferenz)


Null Toleranz bei sexuellen Beziehungen in der Seelsorge - Betroffenenbeirat bei der DBk fordert klare Regeln auch mit Blick auf erwachsene Betroffene | erschienen 14.05.2021 | katholisch.de


Stellungnahme des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz zur Frage sexualisierter Übergriffe gegen erwachsene Schutzbefohlene aus Anlass der Berichterstattung über den Fall „Ellen Adler“ | Pressemitteilung vom 14.05.2021 | dbk.de/ Betroffenenbeirat


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Zur Frage der Amtshaftung für Sexualstraftaten von Beschäftigten der katholischen Kirche


Strafbare Beteiligung an Sexualdelikten gehorsamspflichtiger Kleriker - Zugleich eine kritische Betrachtung des Kölner Gercke-Gutachtens | Herzberg, Rolf Dietrich | In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtswissenschaft ZfIStw, Ausgabe 01/2023 | www.zfistw.de/dat/artikel/2023_1_1539.pdf


Juristischer Nebel | erschienen 02.06.2021 | zeit.de

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Sexueller Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche - erste Studie zum Ausmaß sexueller Gewalt


MHG-Studie (2018) "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz"


MHG-Studie Abschlussbericht gesamt


MHG-Studie Abschlussbericht Zusammenfassung


Juristische Folgen:

"Nach geltender Rechtslage gibt es in Deutschland keine allgemeine Pflicht zur Anzeige von Straftaten. Auf eine Anzeigenerstattung gerichtete staatliche Zwangsmaßnahmen gegenüber der Kirche scheiden daher aus."

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